Wer sind die Gewinner von Online-Rezepten?

Zusammenfassung: Corona hat, wohl unfreiwillig, für eine neue Digitalisierungs-Welle in Deutschland gesorgt. Auf Online-Rezepte müssen Kunden noch warten, doch es gibt Erfahrungswerte aus anderen Ländern. Wer sind eigentlich die Gewinner an den sogenannten E-Rezepten? Wir gehen dieser Frage auf den Grund.

Inhaltsverzeichnis

Apotheken

Stark betroffen von den Umstellungen durch das elektronische Rezept werden Apotheken sein. Ihnen wird es im System des E-Rezeptes erlaubt sein, im Auftrag des Patienten durch ihre digitale Identität Rezepte vom Rezeptspeicher zu beziehen. Das heißt, das vom Arzt auf dem zentralen Informationssystem hinterlegte, verschlüsselte E-Rezept kann von der ausgewählten Apotheke gelesen und bearbeitet werden. Im Allgemeinen ist aus Sicht der Apotheken die Einführung des E-Rezeptes ambivalent zu betrachten. Während die Versandapotheken als klare Sieger im Zuge der Rezept-Digitalisierung gesehen werden, scheint es für die Vor-Ort-Apotheken reichlich negative Auswirkungen zu haben. Während für stationäre Apotheken eher ein Rückgang prognostiziert wird, tun sich für Online-Apotheken durch die Digitalisierung des Rezeptsystems neue Möglichkeiten auf.

Wir gehen davon aus, dass Patienten, die ein Arztrezept online bekommen, eher in Online-Apotheken einkaufen als ohne. Generell erwarten wir ein starkes Umsatzwachstum im Versandapothekenmarkt. Darüber hinaus wird durch den schnelleren Ablauf der digitalen Bestellung mit dem elektronischen Rezept auch ein Anstieg der Online-Käufe im Rx-Bereich erwartet. Aktuell liegt der Rx-Online-Anteil bei etwa 1,5 %, eine große Steigerung wird jedoch erwartet.

Krankenkassen

Auch die Arbeit der Krankenkassen wird in Zukunft von Veränderungen durch das E-Rezept beeinflusst sein. Zum einen werden die Abrechnungen in der Zusammenarbeit von Apotheken und Krankenkassen vollkommen digitalisiert. Zum anderen wird angenommen, dass so weniger Retaxierungen der Krankenkassen nötig sind und auch die Verordnungen durch den digitalen Weg weniger anfällig für Fehler sein werden.

Womit könnten aber Krankenkassen am digitalen Rezept verdienen? Zum einen heißen weniger Fehler in Abrechnungen, Verordnungen und Retaxierungen auch ein reibungsloser Ablauf, Zeitersparnis und weniger Kosten für die Kassen. Ansonsten scheinen die Krankenkassen weniger am E-Rezept zu verdienen, sondern eher im Gegenteil. Grund dafür sind die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Herstellern. Einzelne Hersteller schließen mit verschiedenen Krankenkassen Rabattverträge ab, bei denen die Krankenkassen auf die Arzneimittel eines bestimmten Herstellers sparen. Im Gegenzug dazu versichern Krankenkassen den Pharmaherstellern, dass Patienten im Normalfall auch nur diese rabattierten Medikamente erhalten, sofern Lieferung möglich ist. Je mehr Rezepte also in den Apotheken eingelöst werden (wovon in Zukunft mit dem E-Rezept ausgegangen wird), desto öfter werden die Krankenkassen zur Kasse gebeten. Lösen die Patienten ihre Rezepte öfter ein, müssen die Krankenversicherungen auch häufiger anteilige Kosten am Medikament übernehmen. Somit würde die Krankenkassen nicht am E-Rezept verdienen, sondern ihre Kosten steigern, sofern sich nichts an den Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Herstellern ändert. Bei der hohen Summe an Ersparnissen, die durch Rabattverträge regelmäßig generiert werden, werden die gestiegenen Kosten kein großes Problem darstellen.

Ärzte

Für Ärzte und Arztpraxen kommen im Zuge der Digitalisierung des Rezeptsystems Neuerungen und systematische Änderungen im Ablauf zu. Statt für Patienten die papierbasierten Rezepte auszufüllen und zu übergeben, werden die relevanten Informationen individuell für den Patienten online in das E-Rezept eingetragen und innerhalb eines zentralen Informationssystems verschlüsselt hochgeladen. Der Patient erhält anschließend einen persönlichen Code für sein E-Rezept, das er mit der gewünschten stationären oder Online-Apotheke für die Bearbeitung seines Rezeptes teilen kann. Für Ärzte ist somit ein reibungsloser, digitaler Arbeitsablauf vorgesehen, der weniger „Papier-Arbeit“ und technischen Fortschritt bedeutet. Durch das E-Rezept wird zudem Apotheken die Möglichkeit gegeben, Folgerezepte an die Patienten auszustellen, sodass dies nicht mehr zwingend von einem Arzt getätigt werden muss. Das liefert einen weiteren Vorteil für Ärzte bzw. Arztpraxen, denn neben der schnelleren digitalen Verarbeitung von Rezepten, sind so auch weniger volle Wartezimmer zu erwarten. Patienten müssen nicht, wie bisher, für die Verschreibung eines Folgerezeptes erneut zum Arzt in die Sprechstunde kommen, sondern können dies problemlos bei der zuvor genutzten (Online) Apotheke erledigen. Somit sparen Arzt und Patient Zeit und können von einem schnelleren Ablauf profitieren. Diese spannende Neuerung können sich auch Ärzte in der telemedizinischen Versorgung zu Nutze machen und E-Health-Lösungen wie die digitalen Sprechstunden voranbringen und sie mit dem elektronischen Rezept kombinieren. Das Rezept stellt durch seine digitale Form dann keine (physische) Hürde mehr in der telemedizinischen Versorgung dar.

Patienten

Zwar wird das E-Rezept für die Patienten nicht zwingend monetäre Vorteile haben, jedoch wird das elektronische Rezept besonders viele positive Aspekte auf praktischer Ebene mit sich bringen:

  • Schnelle Versorgung
  • Weiterhin freie Apothekenwahl
  • Folgerezepte direkt bei der Apotheke (d.h. weniger Arztbesuche)
  • Mehr Anonymität (z.B. wenn Männer ein Mittel gegen Erektionsstörung diskret kaufen möchten)
  • Digitaler Fortschritt auch im Gesundheitsbereich
  • Weniger „Papierkram“
  • Reibungsloser Ablauf zwischen Ärzten, Apotheken, Patienten und Krankenkassen

Außerdem wird von einer höheren Patienten-Compliance und Convenience wegen regelmäßiger Rezepteinlösungen durch das Folgerezept ausgegangen. Durch die Erlaubnis für Apotheken, Folgerezepte verschreiben zu dürfen, wird erwartet, dass Patienten ihre Rezepte regelmäßiger und häufiger einlösen, da der obligatorische Gang zum Arzt wegfällt. Durch eine regelmäßige Medikamenteneinnahme können auch die Therapieerfolge gesteigert werden. Kombinieren lässt sich diese regelmäßige Medikamentenverschreibung auch mit weiteren Vorteilen für Apotheken und Patienten.

Bei kontinuierlicher Verschreibung von Arzneimitteln, die von der gewünschten Apotheke aus gesteuert werden kann, ist eine automatisierte Erinnerung von der Online-Apotheke denkbar und eine vorteilhafte Situation für Apotheke und Patient. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Ein Patient, der über mehrere Jahre hinweg regelmäßig rezeptpflichtige Schilddrüsenmedikamente zu sich nehmen muss, kann sein E-Rezept in seiner Wunschapotheke einlösen und wird (je nach Packungsgröße) nach 3 oder 6 Monaten automatisch von seiner Online-Apotheke an die erneute Bestellung der bald endenden Packungsgröße erinnert. Besonders bei chronischen Krankheiten und Patienten mit vielen, regelmäßig einzunehmenden Medikamenten wäre dies eine große Erleichterung.